Grußbotschaft von Yvonne Bühlmann, Gabriele Einsele, Susanne Hess, Brigit Keller, Madeleine Marti, Verena E. Müller, Kathrin Simonett, Tove Soiland, Esther Spinner, Doris Stump und Marianne Ulmi (Bern/Wettingen/Zürich)

Dokumentation der Grußbotschaft aus der Schweiz, die Madeleine Marti während der Gedenkfeier für Johanna Moosdorf am 12. Juli 2006 in der Kastanieneallee in Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf verlesen hat:


"Die Frauen müssen einander wieder lieben lernen, eine die andere"


Zum Gedenken an den 95. Geburtstag von Johanna Moosdorf


Wir freuen uns ausserordentlich über diese Würdigung von Johanna Moosdorf, und begrüssen das Anbringen der Gedenktafel als ein für alle sichtbares Zeichen der Wertschätzung und Anerkennung dieser bemerkenswerten Schriftstellerin, Literatin und nationalsozialistischen Widerstandskämpferin.


Ihr Werk steht für Aufbruch und Neubeginn, für Utopien und Visionen. Johanna Moosdorf schrieb gegen gängige Codierungen an. Mit ihrem Roman "Die Freundinnen" beschritt sie 1977 Neuland. Lesbische Liebe wird hier erstmals seit 1945 als lebbare Perspektive dargestellt.


Die Liebesbeziehung zwischen zwei Frauen wird in diesem Roman als eigenständig, unverwechselbar und gleichberechtigt beschrieben. Denn:


"Die Frauen müssen einander wieder lieben lernen, eine die andere". (M. Marti, Botschaften, S. 161).


Moosdorfs Protagonistinnen leben aber nicht von Luft und Liebe... Sie stehen mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität. Sie agieren selbstständig, verfolgen ihre Ziele konsequent und erreichen sie auch.


Freundinnenschaften gebührt Moosdorfs besondere Aufmerksamkeit. Die Konzeption der von Johanna Moosdorf entworfenen Frauenbeziehungen überstrahlt durch ihre Fülle und Differenziertheit die grosse Masse der zeitgenössischen Literatur. Dabei werden Stigmatisierungen von Frauen nicht ausgeblendet, sondern aufgedeckt und benannt.


Mit der Wahrnehmung und Sichtbarmachung von Liebe, Begehren und von Gefühlen des Wohlwollens zwischen Frauen hat Johanna Moosdorf neue Wege beschritten und geholfen, die positive Selbstidentifikation von Frauen und Lesben zu ermöglichen. Dafür sind wir ihr von Herzen dankbar.


Johanna Moosdorfs Werk kommt im Kontext einer lesbischen Traditionsbildung besondere Verdienste zu und ist in ihrer Art einzigartig.


Die folgenden elf Frauen aus der Schweiz setzen sich mit ihrer Unterschrift unter die Grussbotschaft und mit einer Spende für die Gedenktafel ein:


* Dr. Yvonne Bühlmann, Historikerin, Zürich
* Gabriele Einsele, Germanistin, Zürich
* Dr. Susanne Hess, Germanistin, Zürich
* Dr. Brigit Keller, Autorin, Zürich
* Dr. Madeleine Marti, Germanistin, Zürich
* Verena E. Müller, Historikerin, Zürich
* Kathrin Simonett, Fotografin, Zürich
* Tove Soiland, Philosophin, Zürich
* Esther Spinner, Schriftstellerin, Zürich
* Dr. Doris Stump, Germanistin, Wettingen
* Marianne Ulmi, Philosophin, Bern.




© Die Unterzeichnerinnen (Bern/Wettingen/Zürich 2006)