Rede von Ingeborg Boxhammer


Ingeborg Boxhammer während ihrer Rede am 9. April 2006 in Bonn © Catharina Stellmann

Dokumentation der Rede von Ingeborg Boxhammer, die sie während der Gedenktafeleinweihung für Johanna Elberskirchen am 9. April 2006 in der Bonner Sternstraße 37 gehalten hat:



Herzlich willkommen zur Einweihung der Gedenktafel für Johanna Elberskirchen!


Mein Name ist Ingeborg Boxhammer und ich werde Sie mit der Geschichte dieser Tafel und dem Programm des heutigen Tages vertraut machen.


Ich freue mich sehr, dass Sie so zahlreich erschienen sind!


Da hängt sie nun - die Gedenktafel.


Zwei Jahre hat es gedauert, bis wir - Bonner Lesben in Zusammenarbeit mit der SPD-Stadtverordneten Erika Coché, die Berliner Politologin Dr. Christiane Leidinger und ich - diese Tafel einweihen konnten.


Aber die Geschichte dieser Gedenktafel reicht weiter zurück.


Im Frühsommer 2003 - also vor fast drei Jahren - überlegte das Lesbenplenum des Schwulen- und Lesbenzentrums Bonn, innerhalb einer Veranstaltungsreihe eine lesbengeschichtliche Führung durch Bonn anzubieten. Da es dafür weder Material noch bekannte historische und dazu noch lesbische Persönlichkeiten in der Zeit vor der Neuen Frauenbewegung zu geben schien, machte ich mich in den regionalen Dokumenten der letzten dreißig Jahre auf die Suche - und stolperte im "anderen Stadtbuch. Lesben und Schwule in Köln" von 1996 in einem Aufsatz von Irene Franken über ein engagiertes Zitat, das sie der "Bonnerin Johanna Elberskirchen" zuordnete. Bewusst hatte ich diesen Namen bis dato noch nicht wahrgenommen, schon gar nicht im Zusammenhang mit Bonn.


... Obwohl ich das sehr wichtige Buch von Ilse Kokula, "Weibliche Homosexualität um 1900 in zeitgenössischen Dokumenten", 1981 erschienen, seit über 20 Jahren besitze und darin den Namen "Johanna Elberskirchen" bereits mindestens einmal gelesen haben musste!


Ich recherchierte also "Johanna Elberskirchen" im Internet und stieß unter den sehr übersichtlichen, sprich wenigen Treffern! - auf die Politologin Christiane Leidinger, die in Gießen an einem Forschungsprojekt zu Elberskirchen arbeitete. Ich nahm mit ihr Kontakt auf, traf mich im Sommer 2003 mit ihr in Berlin und erfuhr von ihren Bemühungen, die Gräber von Johanna Elberskirchen und ihrer letzten Lebensgefährtin Hildegard Moniac auf einem Friedhof in Rüdersdorf in der Nähe von Berlin unter Schutz stellen zu lassen - was im Dezember 2002 gelungen war.


Im August 2003 initiierte Christiane Leidinger mit Unterstützung der Gemeinde Rüdersdorf eine Gedenkfeier für Elberskirchen und Moniac, wobei auch zwei Gedenktafeln mit ausführlichen Texten eingeweiht wurden, die die Gemeinde auf Christiane Leidingers Initiative hatte aufstellen lassen.


Kurze Zeit später baute ich in Bonn die Informationen von Christiane Leidinger und meine eigenen lokalen Rechercheergebnisse in eine lesbengeschichtliche Führung ein, in der Johanna Elberskirchen jedoch nur am Rande vorkam.


Viele Fragen wurden zu ihr und ihrem Leben gestellt, die ich nicht beantworten konnte und die außerdem den Rahmen dieser mehrere Jahrhunderte umfassenden Führung sprengten. Aber die Neugier hatte nicht nur mich erfasst...


Also beschlossen wir im Lesbenplenum des Zentrums, Johanna Elberskirchen eine eigene Veranstaltungsreihe zu widmen.


Im April 2004 konnten wir Johanna Elberskirchen intensiver vorstellen. Ich verwies in einem Stadtrundgang auf zeitgenössische Frauenrechtlerinnen und Pionierinnen, die zur gleichen Zeit in Bonn aktiv waren wie Johanna Elberskirchen. Christiane Leidinger hielt einen Vortrag zu Elberskirchens Leben und ihrem Werk; Karin Kroemer brachte uns szenisch Elberskirchens Texte und auch ihr Temperament nahe.


So nah, dass sich im Publikum eine rege Diskussion entfaltete, die Überraschung und Respekt über diese Pionierin zum Ausdruck brachte. In dieser Diskussion wurde die bisher nur angedachte Idee einer Bonner Gedenktafel für Johanna Elberskirchen als nächstes gemeinsames Ziel formuliert.


Die ersten Schritte in Sachen "Gedenktafel" unternahm Barbara Stein - sie fand heraus, wer eigentlich der Eigentümer des besagten Hauses in der Sternstraße ist - , bevor sie die Informationen zur weiteren Planung an mich übergab.


Der Arbeitskreis Frauengeschichte in Bonn riet mir, mich an die engagierte SPD-Stadtverordnete Frau Erika Coché zu wenden und sie sagte ohne zu zögern ihre Unterstützung zu – worüber ich mich heute noch sehr freue und ihr an dieser Stelle noch einmal recht herzlich für ihren unermüdlichen Einsatz danken will!


Es bedurfte unzähliger Mails und vieler Telefonate, Tipps, Ratschläge - bis wir gemeinsam mit Erika Coché hoffnungsvolle Briefe an den Eigentümer des Hauses der Sternstraße 37 formulierten und um die Erlaubnis für die Anbringung einer Gedenktafel baten. Wieder dauerte es mehrere Monate, bis wir uns auf die Größe, die Beschaffenheit und schließlich auch auf einen Text geeinigt hatten.


Und dann war es soweit: Die Gedenktafel hätte in Auftrag gegeben werden können.


Aber wer sollte sie bezahlen?


Viele Aquisebriefe wurden erfolglos verschickt, bis sich spontan der SPD-Vorstand in Berlin (namentlich vertreten durch die Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier) dazu bereit erklärte, die Tafel zu finanzieren. Und das in einer Zeit, in der immer weniger lesbenpolitische Aktivitäten gefördert werden! Herzlichen Dank auch noch einmal nach Berlin!


An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass die nordrheinwestfälische Landesregierung die Akzeptanzförderung für Lesben und Schwule einstellen und die Förderung im Bereich "Gleichgeschlechtliche Lebensformen" um fast 40 Prozent kürzen will. Das bedeutet konkret, dass auch Veranstaltungsreihen zu Lesben und ihrer Geschichte nicht mehr möglich sein werden.


Der Bundes-SPD verdanken wir die Finanzierung der Gedenktafel, aber ich möchte auch ganz herzlich dem AStA der Universität Bonn, dem Bonner Schwulen- und Lesbenzentrum, der Bonner SPD und zahlreichen weiteren Unterstützerinnen danken, die es uns ermöglichten diese Feier auszurichten.


Frau Inge Wettig-Danielmeier kann heute leider nicht hier sein; sie wünscht uns einen schönen Tag und der Veranstaltung einen guten Verlauf. Und auch Herr Rudolf Seeber, der Eigentümer des Hauses Nummer 37, kann leider nicht teilnehmen, wünscht jedoch allen Teilnehmern der Gedenkfeier einen schönen sonnigen Tag. Es erreichten mich auch viele andere guten Wünsche von interessierten Gästen, die heute aus den unterschiedlichsten Gründen nicht hier sein können.


Ich kann es noch immer kaum glauben, dass wir nun tatsächlich hier stehen und diese Tafel einweihen können!


In den vergangenen drei Monaten, in denen sie schon dort hängt, bin ich mehrmals extra durch die Sternstraße spaziert, um mich zu vergewissern, dass ich die Existenz der Tafel nicht nur geträumt habe...


Ich weiß von keiner anderen Frau in Deutschland, deren lesbenpolitisches Engagement auf einer Gedenktafel, die einer breiten Öffentlichkeit zugänglich ist, gewürdigt worden wäre.


Und es geht ja hier auch nicht nur um die Person Johanna Elberskirchens. Die Wiederentdeckung dieser engagierten Frauenrechtlerin und Sozialdemokratin ebnet den Weg für weitere Forschungen sowohl innerhalb als auch außerhalb der Bonner Stadtgeschichte, ermöglicht einen neuen Blick auf die Geschichte der Frauen- und Lesbenbewegung über Bonns Grenzen hinaus - vorausgesetzt, dass diese Forschung auch finanziert wird...


Ich freue mich, heute zwei Wissenschaftlerinnen und einen Wissenschaftler hier begrüßen zu dürfen, die zu diesem historischen Blick beigetragen haben: Herrn Prof. Dr. Norbert Oellers, der 1992 als erster einen Aufsatz über Johanna Elberskirchen veröffentlichte, Frau Dr. Christiane Leidinger, Politologin aus Berlin, die aufgrund ihrer grundlegenden Forschungen sicher als Elberskirchen-Expertin bezeichnet werden kann und derzeit - leider unfinanziert! - an einem Buch über Johanna Elberskirchen schreibt, - und Frau Prof. Dr. Annette Kuhn, die hier in Bonn den ersten Lehrstuhl für Frauengeschichte und ihre Didaktik innehatte und maßgeblich die Frauengeschichtsforschung in Westdeutschland voran getrieben hat.


Gedenktafeleinweihung in Bonn 2006: Brigitta Poppe, Erika Coché, Annette Kuhn, Christiane Leidinger, Norbert Oellers (v.l.n.r.) © Catharina Stellmann

Brigitta Poppe, Erika Coché, Annette Kuhn, Christiane Leidinger, Norbert Oellers (von links nach rechts)



Diese drei werden gleich hier zu Wort kommen.


Vorher wird die stellvertretende Bezirksvorsteherin Frau Brigitta Poppe im Namen der Stadt Bonn ein Grußwort sprechen.


Und zwischen den Reden wird die Schauspielerin Karin Kroemer Johanna Elberskirchen lebendig werden lassen.


Nach der letzten Rednerin sind Sie alle herzlich eingeladen, ein Glas Sekt oder Saft mit uns zu trinken und auf Leben und Werk Johanna Elberskirchens anzustoßen.


Vortrag von Karin Kromer anlässlich der Gedenktafeleinweihung in Bonn 2006 © Catharina Stellmann


Damit werden die Feierlichkeiten hier in der Innenstadt enden und wir laden Sie ein, mit uns hinüber zu gehen oder zu fahren und zwar ins Schwulen- und Lesbenzentrum am Frankenbad 5. Dort erwartet Sie ein kleiner Imbiss und eine umfangreiche Präsentation rund um Johanna Elberskirchen. Viele Bilder, einschlägige, leidenschaftliche Zitate werden zu sehen bzw. zu lesen sein - und natürlich eine Dokumentation der Gedenkfeier in Rüdersdorf im Sommer 2003. Außerdem haben Sie im Zentrum die Möglichkeit zum Gespräch und zur Vertiefung der erhaltenen Informationen. Wir haben auch dort einen Infotisch vorbereitet und freuen uns auf eine angeregte und unterhaltsame Feier.


Herzlichen Dank an Frau Kuhn, Frau Kroemer, Herrn Oellers und Frau Poppe.


Mein besonderer Dank gilt Frau Leidinger und Frau Coché sowie all den Bonner Lesben, die sich unermüdlich und tatkräftig um das Projekt "Gedenktafel" bemüht haben, die beispielsweise meine Briefe immer und immer wieder Korrektur lasen und mir mit Rat und Tat zur Seite standen, die mir den Rücken stärkten, als die Gedenktafelidee zwischendurch aussichtslos erschien!


Inzwischen haben die meisten etwas zu trinken in der Hand - der Sekt wurde übrigens von Nathalie Güttes (Schwulen- und Lesbenzentrum Bonn), die Brezeln wurden von Jürgen Bertram (SPD) gestiftet. Herzlichen Dank dafür!


Stoßen wir nun an auf ein gelungenes Projekt, eine gelungene Feier und natürlich auf Johanna Elberskirchen! Und auf alle Frauen liebenden Aktivistinnen oder auf solche, die es werden wollen!


Jetzt darf ich Sie ins Schwulen- und Lesbenzentrum in die Straße Am Frankenbad 5 einladen, wo Sie sich bei weiteren Getränken und einem kleinen Imbiss weiter über Johanna Elberskirchen informieren können. Aufsätze, Zeitschriftenartikel von und über Johanna Elberskirchen werden zur Einsicht ausliegen und eine Präsentation gibt Ihnen Gelegenheit, sich ein genaueres Bild von ihr, ihrem Leben und Werk und auch von ihrer Zeit zu machen.


Wir würden uns sehr freuen, Sie in ein paar Minuten im Zentrum wieder zu sehen!


Ich danke Ihnen allen, dass Sie gekommen sind, und wünsche Ihnen – im Zentrum oder anderswo - noch einen schönen Sonntag. Kommen Sie gut nach Hause!



© Ingeborg Boxhammer (Bonn 2006)


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